Fototipp: Polarlicht-Fotografie

Auf meinen bisher acht Reisen (zwischen 2015 und 2023) mit einem Wohnmobil ins winterliche Nordskandinavien nördlich des Polarkreises hatte ich immer wieder das Glück, das Nordlicht beobachten und fotografieren zu können. Gerne möchte ich Ihnen meine Erfahrungen in der Nordlicht-Fotografie weitergeben.

Was für eine Fotoausrüstung ist notwendig?

Kamera

Kameras, bei denen Sie die Objektive wechseln können, sind am besten geeignet. Spiegelreflex- oder spiegellose Kameras (DSLR oder DSLM) sind grundsätzlich geeignet. Bei den Kameratypen unterscheidet man noch zwischen einer Vollformatkamera und einer APS-C-Kamera. Der Unterschied liegt in der Sensorgröße. Vollformat bedeutet, dass die Sensorgröße dem einst analogen Kleinbildformat von 36 x 24 mm entspricht. Der APS-C-Sensor ist kleiner, ca. um das 1,5- bis 1,6-Fache. Bei dem kleineren Sensor nimmt das Objektiv nur einen Ausschnitt (Crop) des Kleinbildformats auf. Das hat den Effekt wie eine Brennweitenverlängerung. Das bedeutet, ein 100-mm-Objektiv ist bei einer Vollformatkamera ein 100-mm-Objektiv. Bei der APS-C-Kamera entspricht ein 100-mm-Objektiv dagegen einem 150-mm bzw. einem 160-mm-Objektiv. Da für die Nordlichtfotografie Weitwinkelobjektive am besten geeignet sind, wäre eine Kamera mit APS-C Sensor-kontraproduktiv, da sie ja die Brennweite „verlängern“. Wenn Sie allerdings an der norwegischen Küste auf Walsafari gehen oder die Seeadler auf den Lofoten fotografieren wollen, sind die APS-C-Kameras im Vorteil.
Haben die beiden Sensoren die gleiche Pixelzahl, so sind natürlich die Bildpunkte beim Vollformat größer. Dementsprechend gelangt mehr Licht auf die einzelnen Pixel. Das hat zur Folge, dass bei gleichen Lichtverhältnissen der ISO-Wert bei dem Vollformat niedriger gewählt werden kann. Das heißt auch, dass der Vollformatsensor rauschärmer ist als der kleinere APS-C-Sensor.
Die Größe des Sensors spiegelt sich auch im Preis und in der Größe der Kamera wider. Vollformatkameras sind etwas größer/schwerer und teurer als die APS-C-Kameras.
Die heutigen Sensorgenerationen sind aber beide absolut für die Nordlicht- und Sternenfotografie geeignet, da ihr Rauschverhalten gut ist. Bei kompletter Dunkelheit, also ohne Mond am Himmel, fotografieren Sie mit einem ISO-Wert von bis zu 4000. Das ist aber kein Problem für beide Sensortypen.
Das Nordlicht ist oftmals über dem gesamten Himmel zu sehen. Deshalb ist es wichtig, ein sehr gutes Weitwinkelobjektiv zu haben, das auch noch sehr lichtstark ist (niedrige Zahl der Blendenöffnung, z. B. 1.8). Allerdings: je niedriger die Anfangsblendenöffnung, desto teurer das Objektiv. Und um den kompletten Bildwinkel des Objektives zu nutzen, ist die Vollformatkamera im Vorteil, da sie den Bildwinkel 1:1 ausnutzt.

Stativ

Da die Belichtungszeiten bis an die 30 Sekunden herangehen, benötigen Sie ein Stativ, denn so lange können Sie Ihre Kamera nicht ruhig und verwacklungsfrei in der Hand halten. Achten Sie beim Kauf darauf, dass Sie ein stabiles Stativ kaufen und eines auswählen, das zu Ihrer Körpergröße passt. Und lassen Sie die Mittelsäule immer eingefahren, um Schwingungen zu vermeiden, denn eine ausgefahrene Mittelsäule ist in dieser Hinsicht der Schwachpunkt eines jeden Stativs. Gut ist es auch, wenn am unteren Ende der Mittelsäule ein Haken montiert ist, an den Sie ein Gewicht (z. B. den Rucksack) hängen können, damit das Stativ bei Wind stabil steht.

Fernauslöser

Lösen Sie die Kamera nicht direkt am Auslöseknopf aus, höchstens, wenn Sie den Selbstauslöser der Kamera verwenden. Das würde ich aber nicht empfehlen, da man selbst bei einem Nordlicht durch das Warten auf das Auslösen doch manchmal spannende Momente verpasst, besonders dann, wenn sich das Nordlicht „schnell“ bewegt. Darum ist ein Fernauslöser eine sehr lohnende Investition. Sie haben die Wahl zwischen Kabel- oder Funkfernauslösern. Sie sollten bei beiden Auslösertypen darauf achten, dass sie mit AA-Batterien/-Akkus betrieben werden. Sie sind länger haltbar als Knopfbatterien und Sie können sie recht leicht nachkaufen bzw. wieder aufladen. Ich habe mit einem Funkfernauslöser mit einer Reichweite von 100 m gearbeitet. Wenn ich z. B. Sternenbahnen über mehrere Stunden fotografiert habe und das Stativ nicht allzu weit vom Wohnmobil entfernt stand, konnte ich mich im Fahrzeug aufhalten und den Aufnahmeprozess von dort bequem verfolgen.

Fotoausrüstung und Kälte

Akkus
Bei eisigen Temperaturen leisten Batterien/Akkus weniger als bei sommerlichen. Das ist bekannt. Doch die Akkus der heutigen DSLR-/DSLM-Kameras liefern auch bei diesen Temperaturen noch eine enorm starke Leistung. Tragen Sie Ihre Ersatzakkus nicht im Fotorucksack mit sich, sondern an einem wärmeren Ort, z. B. in Ihren Hosentaschen oder in einer Jackeninnentasche.
Wer nicht so schnell Akkus wechseln möchte, der sollte sich einen Batteriegriff/Hochformatgriff besorgen. In diesen passen (mindestens) zwei Akkus hinein. Einige bieten auch die Möglichkeit zum Betrieb mit AA-Lithium-Batterien. Dieser Batterietyp ist leistungsfähiger als die Standardakkus der Kameras. Besonders erwähnen möchte ich hier die „eneloop“-Akkus, die wirklich sehr viel Power haben.
Es gibt Leute, die meinen, dass es sich lohnt, die Akkus herausnehmen und in die wärmende Tasche zu stecken, wenn man draußen in der Kälte ist und die Kamera gerade nicht braucht. Das halte ich nicht für sinnvoll! Wenn der Akku aus dem Gehäuse entfernt wird, kühlt der Hohlraum der Kamera in dem Bereich schneller aus – und wollen Sie wirklich die Handschuhe bei -20 °C ausziehen, um die Batterieabdeckung zu öffnen? Auch wenn Sie Handschuhe haben, bei denen Sie nur die Fingerkuppen aufklappen müssen, kühlen Ihre Finger schnell aus. Nehmen Sie lieber einen Ersatzakku mit und setzen Sie diesen ein, wenn der Kameraakku leer ist.

Zeitraffer-Videos

Um die Bewegung des Nordlichts zu zeigen, ist hierfür die Erstellung eines Zeitraffer-Videos am Besten geeignet. Gute Fernauslöser bieten oft die Möglichkeit, über sie eine Auslösewiederholung einzustellen. Schauen Sie sich die Belichtungszeit an Ihrer Kamera an und stellen dann die Auslösewiederholung um etwa drei Sekunden höher ein, denn Sie müssen der Kamera etwas Zeit geben, die Daten zu speichern. Ist die Auslösezeit zu knapp bemessen, kann es passieren, dass die Kamera nicht immer auslöst, da sie noch nicht mit dem Speichern fertig war. Dieses fehlende Foto merken Sie beim Abspielen des Zeitraffer-Videos, indem es an der Stelle einen Sprung macht. Da bei der Zeitraffer-Fotografie mehrere hundert Fotografien am Stück entstehen, ist es geschickt, als Energiequelle eine kräftige Powerbank als externe Stromquelle an die Kamera anzuschliessen. Ein Batteriewechsel an der Kamera während der Sequenzerstellung ist absolut nicht empfehlenswert. Jedwede Berührung der Kamera kann den Ausschnitt verändern, was man sofort auf dem Zeitraffer-Video sehen würde. Ich habe meist mit zwei Kameras gearbeitet: mit der einen habe ich versucht Sequenzen für Zeitraffer-Videos zu erstelllen. Und mit der zweiten Kamera habe ich Einzelaufnahmen angefertigt.

Feuchtigkeit
Ein anderes Problem, das Brillenträger kennen: Wenn Sie zur kalten Jahreszeit von draußen in warme Räume kommen, beschlagen die Brillengläser. Wenn Sie mit Ihrer Kamera nach einem längeren Aufenthalt in der Winterlandschaft, egal ob tagsüber oder in der Nacht zur Nordlichtfotografie, wieder ins warme Wohnmobil gehen, kondensiert die feuchtere warme Luft am Objektiv und an der Kamera. Das Kameragehäuse („Body“) können Sie schnell mit einem Handtuch trocken wischen, doch die Linse des Objektivs lässt sich nicht so leicht vom Kondensat befreien, immer wieder beschlägt sie von Neuem. Benutzen Sie auch kein synthetisches Putztuch, diese verursachen meistens nur Schlieren auf der Linse. Baumwolltücher sind besser geeignet. Wenn Sie wissen, das Sie nicht mehr rausgehen, lassen Sie die Kamera samt Objektiv einfach liegen und putzen Sie die Linse erst, wenn sie nicht mehr beschlagen ist. Vermeiden Sie unbedingt, das Objektiv in kaltem Zustand zu wechseln, denn dabei kommt zu viel Feuchtigkeit in die Kamera und auf den Sensor und/oder den Spiegel!
Das Problem mit der Feuchtigkeit können Sie verringern, indem Sie die Kamera vom Stativ nehmen, bevor Sie ins Wohnmobil gehen, und in eine wasserdichte Tasche (z. B. verschließbaren Plastikbeutel) stecken. Wenn er gut geschlossen ist, kondensiert die warme Luft außen am Beutel und verschont die Kamera. Es dauert natürlich eine gewisse Zeit, bis der massige Body der Kamera aufgewärmt ist.

Kompaktkameras und Kälte
Wer nicht mit einer schweren DSLR-/DSLM-Kamera losziehen möchte, der kann natürlich auch eine Kompaktkamera benutzen. Doch da die Akkus dieses Kameratyps kleiner sind, merken Sie auch den Einfluss der Kälte stärker. Und Sie sollten darauf achten, dass Ihre Kompaktkamera einen optischen Sucher besitzt, denn im hellen Winterlicht mit dem reflektierenden Schnee ist auf dem Kameradisplay auf der Rückseite meist nicht viel zu erkennen. Eine Bildgestaltung ist fast nicht möglich. Das kennen Sie sicherlich auch von Ihrem Smartphone: Im Sonnenlicht kann man auf den Displays nicht viel erkennen.

Handling der Kamera im Dunkeln
Sehr hilfreich ist es, wenn Sie sich merken, wo sich welcher Knopf, welcher Schalter oder welches Drehrad Ihrer Kamera befindet, damit Sie die Kamera auch im Dunkeln bedienen können, ohne ein externes Licht einschalten zu müssen. Denn je heller dieses Licht ist, desto länger benötigen Ihre Augen, um sich wieder an die Dunkelheit zu gewöhnen. Da können locker einmal 5 Minuten vergehen, bis Sie z. B. wieder aller Sterne erkennen können.
Wenn Sie an besonders beliebten Orten, z. B. auf den Lofoten, auf Gruppen von Nordlichtfotografen treffen, müssen Sie immer damit rechnen, dass Ihre Mitstreiter mal ihre Stirnlampe oder die Taschenlampe des Smartphones anmachen, um nach den Einstellungen der Kamera zu schauen. Einige meinen, dass dies nicht schlimm ist, wenn sie es mit Rotlicht kontrollieren. Doch, ist es! Denn das Rotlicht sieht man genauso auf dem Sensor. Es hilft nur dabei, dass sich die eigenen Augen wieder schneller an die Dunkelheit gewöhnen.

Meine Vorgehensweise und Einstellungen für die Nordlichtbeobachtung/Nordlichtfotografie:
1. Schritt: Ich schaue die Wettervorhersage auf www.yr.no an und gucke, wo das Wetter in der Nacht gut sein soll (Küste oder Landesinneres).
2. Schritt: Ich schaue z. B. auf der Internetseite www.spaceweather.com, wie die Nordlichtvorhersage ist.
3. Schritt: Wenn beide Aussichten positiv sind, fahre ich in die Region und suche mir einen schönen Stellplatz.
4. Schritt: Vor Ort nehme ich schon die wichtigsten Voreinstellungen an der Kamera vor, damit im Dunkeln und in der Kälte nicht mehr viel gemacht werden muss.
• den Manuellmodus „M“ einstellen (keine Automatik)
• ISO auf etwa 800 bis 1600 einstellen (je nachdem, ob der Mond am Himmel steht oder nicht)
• Blende auf größte Blendenöffnung einstellen, es soll ja in der Dunkelheit in recht kurzer Zeit viel Licht auf den Sensor gelangen (kleinste Zahl, z. B. f2,0)
• Belichtungszeit auf um die 15 Sekunden einstellen
• Autofokus ausschalten
• Fernauslöser montieren
• frische Akkus einsetzen
• RAW-Modus auswählen, da das Rauschverhalten in diesem Format geringer ist als im JPG- oder TIFF-Format
• Wichtig: Bildstabilisator ausschalten, wenn Sie mit Stativ arbeiten!
• Ersatzbatterie in die Hosentasche stecken
• Bei Aufnahmen für eine Zeitraffersequenz (Timelapse-Aufnahmen) Aufnahmemodus „Einzelbild“ einstellen
5. Schritt: Stativ ausklappen
6. Schritt: Damit ich nicht ständig im Wohnmobil das Licht ausmachen muss, um zu sehen, ob sich draußen am Himmel etwas tut, schaue ich gerne mal auf www.auroraskystation.com oder www.lightsoverlapland.com die Livebilder an (haben beide die identische Webcam).

Wenn es dann zu sehen ist, sollte man lieber zu viel als zu wenig anziehen. Bei extremen Minusgraden trage ich immer eine Balaclava (Skimaske, Sturmmaske) und ziehe sie über die Nase. Das hat mehrere Gründe: Ich muss nicht die kalte Luft direkt einatmen, aber es ist auch sehr wichtig, die Kamera nicht mit der warmen ausgeatmeten Luft zu treffen. Denn der Atem schlägt sich sonst sofort an der Kamera nieder. Auch wenn viele Kameras einen Staub- und Spritzwasserschutz haben, sollten Sie die empfindlichen Stellen wie Einstellräder und -tasten nicht extra strapazieren. Und auch das Display auf der Rückseite würde sofort beschlagen/gefrieren.

Kalte Hände und Füße
Da die meisten Menschen zuerst an Händen und Füßen frieren (ich auch), habe ich besonders im Bereich Handschuhe, einige ausprobiert. Für sehr gut haben ich die Handschuhe von The Heat Company empfunden. Hier können Sie die Handschuhe im Zwiebelsystem tragen, ein Paar Unterzieh-Handschuhe und darüber einen Überzieher. Die Überzieh-Handschuhe sind Fäustlinge, bei denen man die Finger und den Daumen sogar separat "freilegen" kann. Selbst bei unter -30°C habe ich mehrere Stunden draußen das Nordlicht fotografiert. Ich habe meine Hände immer wieder prima warm bekommen, wenn ich die Überzieh-Handschuhe mal umgeklappt habe, um etwas an der Kamera einzustellen. Die Handschuhe haben auch kleine Taschen, in die man Wärmepads einlegen kann. (Nicht nur) für Fotografen ein absolut durchdachtes System. Und Wärmepads gibt es auch als Einlegesohlen - herrlich. Hier einmal der Link für alle Interessierten: The Heat Company

Hoch- oder Querformat
Wenn das Nordlicht sich entlang des Horizonts erstreckt, ist das Querformat das beste Format, um es mit der Landschaft ringsherum gut in Szene zu setzen. Wenn es aber direkt über Ihnen leuchtet, denken Sie auch daran, Hochformataufnahmen anzufertigen, um die Größe und Ausdehnung des spektakulären Himmelsleuchtens besser zu zeigen.

Fokussieren
Legen Sie besonders großen Wert auf das Fokussieren! Sie müssen manuell scharf stellen, da die Sensoren in der Dunkelheit nichts finden, auf das sie fokussieren können (höchstens den Mond bei Vollmond). Wenn Sie die Schärfe am Einstellring Ihres Objektivs auf unendlich drehen, werden die Sterne nicht scharf abgelichtet. Versuchen Sie nicht, die Sterne scharf zu stellen, wenn Sie durch das Okular schauen! Nutzen Sie stattdessen den Live-View-Modus. Vergößern Sie auf dem Display einen Ausschnitt auf 100 %. Wenn Sie einen Stern in diesem Ausschnitt haben, drehen Sie den Fokusring so lange, bis der helle Punkt auf dem Display am kleinsten abgebildet wird. Dann ist er scharf!
Wenn Sie für Ihre Aufnahmen ein Zoomobjektiv verwenden und die Brennweite für einen neuen Bildausschnitt verstellen, ist es meistens notwendig, auch wieder neu zu fokussieren.

Wenn Sie die Fotografien in der Fotogalerie unten anklicken, können Sie auch meine Kameraeinstellungen sehen (das gilt auch für die Fotografien in der Nordlicht-Galerie).